Im dritten Geheimnis betrachten wir den Triumph des Vaters im Garten von Getsemani, als Er alle Seine Macht dem Sohn gab.

„Danach kam Jesus mit seinen Jüngern zu einem Grundstück. Das man Getsemani nannte, und er sagte zu ihnen: „Setzt euch und wartet hier, während ich dort bete.“ Er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich. Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit. Er sagte zu ihnen: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Bleibt hier und wacht mit mir.“ Und er entfernte sich ein Stück, warf sich zu Boden und betete: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber! Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ Dann ging er zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Er sagte zu Petrus: „Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Dann ging er erneut weg und betete: „Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille.“  (Mt 26,36-43).
Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte. (Lk 22,43-46).
Danach kehrte er zu den Jüngern zurück und sagte zu ihnen: „Schlaft ihr immer noch? Die Stunde ist gekommen, jetzt wird der Menschensohn den Sündern ausgeliefert. Steht auf, wir wollen gehen. Seht, der Verräter, der mich ausliefert, naht.“ (Mt 26,45-46).
Judas holte die Soldaten und die Gerichtsdiener der Hohenpriester und der Pharisäer, und sie kamen dorthin mit Laternen, Fackeln und Waffen. Jesus ging hinaus und sagte zu ihnen: Wen sucht ihr?“ Sie antworteten: „Jesus, den Nazarener.“ Jesus sagte zu ihnen: „ICH BIN ES!“ Kaum hatte er gesagt „ICH BIN“, wichen sie zurück und stürzten zu Boden. (Joh 18,3-6).

Prüfen wir jeden Teil dieser Beschreibung der Angst Jesu in Getsemani, weil es tiefste Bedeutsamkeit hat, um das Herz des Vaters zu begreifen, und um uns auf der Straße zur Heiligkeit führen zu lassen. Getsemani ist die obligate Passage auf dem Weg nach oben, nämlich zum Vater hin.

Was bedeutet „Getsemani“? Es ist die große Agonie, der große Kampf mit dem „Gegner“, den Jesus in Seinem Menschsein ertragen muß, als „Menschensohn“, um alle Menschen loszukaufen. Er findet sich einer Tatsache gegenübergestellt, die stärker ist als Er: es ist Jesus der Mensch, in seiner ganzen perfekten Menschlichkeit und daher tiefsten Sensibilität, der mit dem großen Gegner zusammentrifft, der sich „Tod“, „Übel“, „Sünde“ nennt. Es ist für Ihn „die Stunde der Finsternis“, jene des zweiten Gefechtes: das erste war in der Wüste erfolgt, als Jesus die erste Phase dieser Schlacht gewonnen hatte und „der Teufel für eine gewisse Zeit von Ihm abließ“ (Lk 4,13). Getsemani ist „die Zeit“ des zweiten und entscheidenden Kampfes, in dem sich alle Arten von Menschen befinden. 
„Ich werde beginnen, Traurigkeit und Angst zu kosten“.

In Getsemani ist die Kraft des Wunders von Jesus geschwunden, jene übernatürliche Energie, die Ihn über alle Ihn umgebende Wirklichkeit herrschen ließ, die Dämonen in die Flucht schlug, die stürmische Wogen beruhigte, Tote erweckte. Mit dieser Macht ging Er gegen das Böse vor und löste es auf: „Er heilte alle“, sagt das Evangelium.
Nun kehrt sich alles Böse gegen Seine Menschlichkeit und Er bittet Seine Vertrauten um Hilfe, weil Seine „Seele betrübt bis in den Tod ist“, es beginnt die Prüfung der „Traurigkeit und Angst“. Doch seine Freunde schlafen, der „Gegner“ hat sie seit Beginn der Feindschaft außer Gefecht gesetzt, ihren Willen chloroformierend, denn sie haben nicht gebetet und ihr „Fleisch ist schwach“.
Jesus verbleibt allein mit dem Vater, und an Ihn wendet er Sich: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Mt 26,39).

In diesem existentiellen Zusammenstoß zwischen dem eigenen „ich“ und Gott ist der Endsieg bei Gott, weil Jesus Seinen Willen jenem des Vaters unterordnet. Es ist der große Sieg, der Loskauf vom „Nein“ Adams. Doch Er erringt den Sieg in einem Blutbad.

„Sein Schweiß wurde wie zu Tropfen von Blut, die auf die Erde fielen.“

Das Blutschwitzen ist ein Phänomen, das sich in äußerst wenigen Fällen als Folge exzessiven psychischen Traumas prüfen lässt. Das Schwitzen Jesu ist derart reichlich, um die Erde zu benetzen. Als Er bemerkte, dass das Bewusstsein schwindet, klammert Er sich an den Vater, weil er in Ihm jenen Trost sucht, den die vom Schlaf betäubten Brüder Ihm nicht geben konnten. Der Vater antwortet unverzüglich auf das Flehen des Sohnes und sendet Ihm einen Engel.

Der Engel des Kelches

Es ist der Engel des Trostes, der Engel des Kelches. Was enthält dieser Kelch? Er enthält den Willen des Vaters und Jesus trinkt ihn; und während Er den Willen des Vaters trinkt – das vollkommene „Ja“ – verbindet Er sich (kommuniziert Er) mit dem Vater, der Ihm alle Seine Kraft gibt.
Der Vater verbindet sich mit dem Sohn, und nunmehr befindet auch Er sich in Agonie, so, wie der Sohn. Wenige Stunden zuvor war dieser – durch den Kelch – mit den Aposteln verbunden.
Jesus trinkt in diesem Moment die ganze Lebenskraft des Vaters, was Ihm ermöglicht, sich zu erheben. Er tadelt Seine Freunde in Güte und kommt dem entgegen, der Ihn verkauft hat mit den Worten, die ein Ruf der Liebe sind: „Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen…Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus?“ (Mk 14,41). „Judas, mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn?“ (Lk 22,48).

„ICH BIN!“: Der Vater ist in Jesus.

Jesus ist wiedergekommen, um wie immer der Meister zu sein, sogar mächtiger als zuvor, weil in Ihm jetzt die Fülle der Allmacht des Vaters ist. Um überzeugt davon zu sein, betrachten wir nun, was bei der Begegnung mit der Menschenmenge und den Wachsoldaten geschieht, als sie kamen, um Ihn zu ergreifen:

„Wen sucht ihr?“ Sie antworteten: „Jesus, den Nazarener.“ Jesus sagte zu ihnen: „Ich bin es!“ (Joh 18,6).

In der italienischen Version finden wir den Text: „Das bin ich!“, doch dies deshalb, weil in dem Sprachfluss der phonetische Klang so besser zum Ausdruck kommt. In der lateinischen Version hingegen ist es „Ego sum“ und im Griechischen heißt es „??? ??µ?“. Die wörtliche Übersetzung ist daher: „Ich bin!“

„ICH BIN“ ist der Name des Vaters, der Sich selbst im Alten Testament so nennt: Moses sagte zu Gott: „Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Doch wenn sie mir sagen:“ Wie heißt er?“ , was soll ich ihnen darauf antworten?“ Gott sagte zu Moses: „Ich bin der, der ich bin.“ Dann sagte er: „So sollst du zu den Israeliten sagen: der ICH BIN hat mich zu euch gesandt.“ (Ex 3,13-14).

Indem Jesus also sagt: „Ich bin es!“ („Ich bin!“), zeichnet Er sich mit dem Namen des Vaters aus. Oder besser, der Vater tut Seine Gegenwart im Sohne kund und bezeugt Sich – Er äußert so Seinen eigenen Namen – auch mit Seiner MACHT, die das Charakteristikum des Vaters ist: Kaum hatte Er gesagt: „ICH BIN ES!“, wichen sie zurück und stürzten zu Boden… (Joh 18,6).

Der Vater trägt in Jesus die Last der Passion: wir haben Jesus auf die Erde zusammenbrechen gesehen, gepackt von „Trübsal und Bangigkeit“ (Mt 26,37) und „Angst“ (Lk 22,44). Er hatte einen derartigen Stress erfahren, der Ihn zum Blutschwitzen brachte. Nach den Thesen einiger italienischer Mediziner, die die Hintergründe dieses Phänomens untersuchten, hat Er wahrscheinlich einen Infarkt erlitten.
Wie hätte ein geschwächter Mensch in solch einer Lage die unverzügliche Kontrolle der Situation wieder aufnehmen können, eine solche spirituelle Kraft zu haben, „die Schar der Männer mit Schwertern und Knüppeln“ (Mt 26,47) zur Erde stürzen zu lassen, während Er selbst einige Minuten zuvor auf die Erde zusammengebrochen ist?
Wie hätte Er der Geißelung standhalten können, der Wegstrecke zum Kalvarienberg und der Kreuzigung?
Wie hätte Er die gesamte Passion durchstehen können, immer die Menschen und Ereignisse unter Kontrolle haltend, wie im Falle der Veronika, der weinenden Frauen, des guten Schächers?
Es ist der Vater, der im Sohn das Gewicht der Passion trägt und sie beherrscht, der sie Schritt für Schritt geht, solange, bis Jesus Seinen Schrei des Sieges hervorbringt: „Alles ist vollbracht!“ (Joh 19,30).

Kaum hat der Sohn diese Worte ausgesprochen, zieht sich der Vater aus diesem gemarterten Körper allmählich zurück, den Er nur bis zu diesem Moment am Leben erhielt.
Jesus verspürt dieses sich Entfernen des Vaters und kehrt in einen Moment der Verwirrung, wie er ihn in Getsemani empfand, zurück: „Um die neunte Stunde rief Jesus laut: „Eli, Eli lama sabactani?“ Das heißt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“…und er stieß einen lauten Schrei aus und starb.“ (Mt 27,46-50).

Jesus hat Seinen Kampf ausgefochten und hat gewonnen, doch nicht allein: in Ihm hat der Vater gekämpft und gewonnen, mit der ganzen Macht des Heiligen Geistes, der danach in der Auferstehung ausbrach.

So ist es für jeden von uns.
Sind wir wachsam, dass wir nicht den Augenblick unseres Getsemani versäumen und sagen wir stets: „Vater, nicht mein sondern Dein Wille geschehe!“
Dies ist nicht leicht, weil „ja“ sagen zu Gott gleichbedeutend mit einem „Nein“ zum eigenen „Ich“ ist, weil es bedeutet sich selbst zu verleugnen, uns selbst zu sterben. Doch gerade das ist die Heiligkeit: mit jedem „Ja“ verringert sich unser „Ich“ und in uns wird mehr Raum frei, das Licht Gottes durchdringt uns zunehmend, wir werden weniger materiell und mehr spirituell. Wenn wir zu einem endgültigen „Ja“ geworden sind, wird unser „Ich“ gestorben sein, und nunmehr wird jeder von uns mit dem Hl. Paulus sagen können: „Nicht ich bin es mehr, der lebt, es ist Christus, der in mir lebt.“ Wir werden endlich frei sein.
Unser Leben wird im wahrsten Sinne des Wortes zufrieden gestellt und freudenreich sein, weil wir zu einem fortgesetzten Triumph des Vaters werden, der unseren Tod in eine immerwährende Auferstehung umwandeln wird.