Es geschah am 13. Juni. Gegen 11 Uhr begaben sich die drei Kinder an den Ort der himmlischen Verabredung, wo sich inzwischen etwa 50 Personen eingefunden hatten. Kniend beteten sie den Rosenkranz. Unvermittelt rief Lucia aus: „Man sieht es schon blitzen! Jetzt kommt die Dame!“ Wenige Augenblicke später begann Lucia ihre Frage an die Gottesmutter zu richten: „Was wünschen sie von mir?“
„Ich wünsche, dass ihr am 13. des kommenden Monats wieder hierher kommt, dass ihr jeden Tag den Rosenkranz betet, um den Frieden zu erlangen. Nur durch den Rosenkranz wird Hilfe für die Welt vom Himmel kommen! Nach jedem Geheimnis des Rosenkranzes betet: ‚Oh mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen’. Ich will auch, dass du lesen lernst.“

Lucia bat dann um die Heilung einer kranken Person. „Wenn sie sich bekehrt, wird sie binnen eines Jahres gesund.“, antwortete die Frau.
„Ich möchte Sie bitten, uns mit in den Himmel zu nehmen.“, sagte Lucia erneut.
„Ja, ich werde bald kommen, um Jacinta und Francisco zu holen. Doch du wirst noch einige Zeit hier auf Erden bleiben. Jesus will sich deiner bedienen, um mich bekannt zu machen und um zu erreichen, dass man mich liebt. Er wünscht, dass in der Welt die Ergebung an mein Unbeflecktes Herz eingeführt wird.“

„Dann werde ich hier ganz allein sein?“ rief das Mädchen ängstlich betrübt aus. „Nein, Kind! Verzage nicht! Ich werde dich niemals allein lassen! Mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein und der Weg, der dich zu Gott führt.“

Während Sie diese Worte sprach, breitete Sie erneut die Hände aus, wie bei der ersten Erscheinung, und abermals übertrug sich von ihnen ein helles Licht auf die Kinder, die sich darin wiederum wie in Gott eingetaucht fühlten. Von den beiden Strahlenbündeln, die von den Händen der Jungfrau ausgingen, stieg eines gegen den Himmel auf, und in diesem befanden sich Francisco und Jacinta. Das andere Strahlenbündel ergoss sich zur Erde hin und umhüllte Lucia. Über der rechten Handfläche der Jungfrau zeigte sich ein mit Dornen umwundenes Herz, in das die Dornen tief hineinstachen. „Wir hatten begriffen“, so kommentierte später Lucia, „dass es das Unbefleckte Herz Mariens war, verletzt durch die Sünden der Menschen, für die man Sühne leisten muss.“

Am Ende erhob sich die Frau schwebend von dem Bäumchen und himmelwärts gen Osten, bis sie den Augen der Hirtenkinder entschwunden war. Die Anwesenden bemerkten, dass die belaubten Zweige des Baumes, auf dem die Gottesmutter stand, flachgedrückt waren, als hätte ein schwerer Saum einer Schleppe darauf gelegen, und die Äste waren niedergebogen. Es mussten erst ein paar Stunden vergehen, ehe die Blätter wieder zu ihrem natürlichen Zustand zurückkehrten.

 

DER FRIEDEN UND DER ROSENKRANZ

Liebe Kinder, ihr habt gewiss begriffen, dass die Erscheinungen von Fatima eine Botschaft des Friedens sind. Das erste Wort des Engels war: „Ich bin der Engel des Friedens.“ Und die Gottesmutter sagte bei diesen Erscheinungen: „Betet jeden Tag den Rosenkranz, um den Frieden zu erlangen.“
Was bedeutet das Wort ‚Frieden’? Es bedeutet natürlich keineswegs ‚Krieg’. Der Frieden ist etwas ganz besonders Großes und Schönes und hat eine tiefere Bedeutung. So kann es sein, dass sich ein Volk nicht im Krieg mit anderen Völkern befindet, aber das heißt noch lange nicht, dass es innerhalb dieses Volkes keine Gewalt, keinen Hass, keine Ungerechtigkeit und Bosheit gibt. Diese Dinge aber haben ganz gewiss nichts mit Frieden zu tun! Die Muttergottes und die Engel sind die Stimme Gottes, und wenn Gott vom Frieden spricht, so handelt es sich dabei vor  allem um den Frieden in den Herzen: also nicht das Böse wollen, nicht andere Menschen hassen, denn dieses ruft Gewalt und Krieg hervor. Und auch Gott nicht hassen, denn dies führt den Menschen zum Ungehorsam gegenüber Seinen Geboten und somit zur Sünde. Die Gottesmutter verspricht uns, dass eine Zeit kommen wird, in der alle Menschen diesen Willen zum Frieden haben werden. Sie werden einander wie Geschwister lieben und Gott wie einen Vater. Doch damit diese Zeit komme, ist es notwendig, den Rosenkranz zu beten: „Betet jeden Tag den Rosenkranz, um den Frieden zu erlangen. Nur durch das Rosenkranzgebet wird in die Welt die Hilfe des Himmels kommen…“ – so hat es die Gottesmutter bei dieser zweiten Erscheinung gesagt.
Ihr fragt euch nun, liebe Kinder, wie es möglich ist, dass der Rosenkranz eine solch große und einzigartige Macht haben kann. Die Antwort darauf ist einfach: wenn wir den Rosenkranz beten, kommt zwischen uns und der Gottesmutter eine Art Verschmelzung zustande, und Sie ist es dann, die mit uns und in uns betet. Um dies besser zu verstehen, erinnern wir uns an die erste Erscheinung von Lourdes und denken über den Bericht von Bernadette einmal nach, betreffend ihrer ersten Begegnung mit der Dame:
„Ohne mir dessen bewusst zu sein, was ich tat, nahm ich den Rosenkranz aus der Tasche und kniete mich nieder. Mit einem Kopfnicken befürwortete es die Dame und nahm zwischen Ihre Finger den Rosenkranz, den  Sie am rechten Unterarm trug… Die Dame ließ mich allein beten. Sie begrüßte es jedoch und ließ dabei die Perlen Ihres Rosenkranzes durch Ihre Finger gleiten, doch sprach sie nicht. Nur am Ende eines jeden Gesätzes begleitete Sie mich, indem Sie sprach: „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste…“  Als der Rosenkranz beendet war, trat die Dame in das Innere des Felsens zurück, und eine goldene Wolke verschwand mit Ihr.“
Kein gesprochenes Wort bei der ersten Begegnung des Mädchens mit der Gottesmutter, nur der Rosenkranz. Dieses sich  Vereinigen mit dem Gebet des Mädchens, allein durch das Gleitenlassen der Perlen Ihres großen  Rosenkranzes durch Ihre Finger, dieses war eine deutliche Geste und bedeutete mehr als irgendein Wort. Es lässt uns begreifen, dass die Gottesmutter überall dort, wo der Rosenkranz gebetet wird, gegenwärtig ist, und dass Sie sich mit dem Gebet  vereinigt, und zwar auf solche Weise, dass unser Gebet zu Ihrem Gebet wird. Sie erhält von Gott alles, worum Sie bittet. Aus diesem Grunde hat Lucia von Fatima geschrieben: „Es gibt kein Problem, nicht materieller, spiritueller, nationaler und internationaler Art, das nicht durch den Rosenkranz lösbar wäre.“
Wenn dieses allgemein gilt, liebe Kinder, dann gilt es ganz besonders auch für unser Gebet. Zu euch hatte Papst Paul VI. gesagt: „Wenn ihr ohne Zweifel betet, dann erhört euch der Herr. Eure unschuldige Stimme besitzt eine  größere Anziehungskraft, als die Stimme der Großen.“ (17 Februar 1968).